Bon Direct

1995 Installation im Bonner Kunstverein Epoxidharz gegossen, 480 x 520 cm

Die Besetzung eines Ortes,
die Bedeutung des Ortes für die Arbeit
und die Bedeutung der Arbeit für den Ort


»Sieh dir den Platz gut an, mein Sohn. Er ist nicht quadratisch, sondern rechteckig, er erstreckt sich von Süden nach Norden.« (2)

Dieses Zitat nach José María Arguedas birgt zwei wesentliche Elemente, die auch aus den ortsbezogenen Bodenarbeiten Werner Haypeters sprechen. Zum einen die bewusste, dabei aber nicht allein rationale, sondern ganzheitliche Wahrnehmung eines Ortes und seiner Maßverhältnisse sowie den Aufbau eines persönlichen Beziehungsgeflechtes zu dem Ort, die bei dem Mestizen über die Wahrnehmung der Himmelsrichtungen stattfindet. Indem die betrachtende Person die Ausrichtung eines Platzes zu den Himmelsrichtungen wahrnimmt, stellt sie sich und ihre eigene Person in eine relationale Beziehung zu eben dieser Anordnung. Wenngleich es Werner Haypeter nicht um die Ortung der Himmelsrichtungen in einem Raum geht, so entwickelt er doch ein persönliches und gleichzeitig abstraktes Beziehungsgeflecht zu dem Ort, für den er eine Arbeit erstellt. Dies geschieht wesentlich über die Maßverhältnisse der neuen Flächen in sich, sowie deren Verhältnisse zu den Maßen des Raumes, für den sie geschaffen wurden, seiner optischen und faktischen Gliederung.

Orten bedeutet das Ausmachen eines Objektes, seinen Standpunkt bestimmen. Spricht man bei der Belegung eines ruhenden Platzes von "orten", so vermittelt sich hierin vor allem das Suchen und Finden des Ortes innerhalb eines vorgegebenen Bereichs. Haypeter bestimmt durch seine Bodenarbeiten Flächen eines Ortes, er besetzt sie neu, hebt sie aus ihrem alltäglichen Kontext heraus und isoliert sie. Gleichzeitig aber sind seine "Besetzungen" nie wirklich hermetisch. Sie umschließen oder verschließen einen Bereich, aber durch ihre Transparenz und durch die Belegung allein des Grenzbereichs zwischen Boden und Raum findet keine hermetisch geschlossene Versiegelung einer Fläche statt, sondern diese bleibt optisch in ihrer ursprünglich alltäglichen Funktionalität erkennbar und in sie eingebunden.

(2) José María Arguedas. Die tiefen Flüsse. Köln 1998, S. 14 (Titel der Originalausgabe: Los ríos profundos. erschienen 1958)

[Text: Thomas Köllhofer: Zwischenorte in: »orten« (Ausst.-Kat., Brückenturm / Galerie der Stadt Mainz), Mainz 2000, S. 27-28]

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