Transparenz
Wasser ist wie Feuer: Es zieht unseren Blick magisch an, lenkt unsere Aufmerksamkeit instinktiv auf sich; nicht zuletzt auch der Gefahr wegen, die sich im Feuer und im Wasser, in dem unergründlichen Nass verbirgt.
Unter einer Brücke aus Beton, an einer großen, stark befahrenen Straße, liegt die Galerie der Stadt Mainz in einem scheinbaren Niemandsland zwischen Einkaufsrummel und der über der Straße sich erhebenden Welt von Rathaus und Mehrzweckhalle. Wäre die Galerie nicht durch Glasfronten vorne und hinten verschlossen, handelte es sich um einen lauten, zugigen und ungemütlichen Ort. Optisch ist der untere Raum auch nicht wirklich von dem Durchgangsgelände des Außenraumes abgetrennt. Die Fensterfronten reichen bis zum Boden und geben den Blick auf das grau bleibende Ambiente frei, in dem sich die gleichen sechseckigen Steine des Bodenbelages fortsetzen.
Der Raum selbst ist ein langes Rechteck, in dem Haypeter den Ort eines gedrungeneren Rechteckes durch das Aufgießen einer Epoxidharzfläche markiert. Er hebt einen Bereich des Bodens aus seiner unaufdringlichen Gesichtslosigkeit heraus und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf dieses Feld.
Die Fläche glänzt gegenüber den matten Steinen und sie ist transparent. Wie durch eine Wasserfläche schauen wir auf das darunter liegende Steinmuster.
Die Transparenz des Materiales Epoxidharz hängt wesentlich von seiner Stärke ab, aber offensichtlich auch von dem Untergrund, auf dem es, in unterschiedlichen Geschwindigkeiten abbindet. In der optischen Erscheinung des eigentlich homogenen Materials offenbaren sich verschiedene chemische Prozesse.
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Durch die Transparenzen der Arbeiten in Bonn, Zweckel, Mannheim und Mainz wird den Betrachtenden der Grenzbereich zwischen Boden und Raum sichtbar gemacht. Man könnte von einer Bodenhaut sprechen oder im Gegenzug von einer äußeren Grenze des Raumes, die beide durch die Transparenz der Flächen sichtbar bleiben.
Kunst hat immer etwas mit der Bewusstwerdung unserer Wahrnehmung zu tun. Werner Haypeter gelingt es mit seinen Installationen, die bespielten Orte neu zu erfahren, unsere Aufmerksamkeit auf optische Gegebenheiten zu lenken, die sich sonst außerhalb unserer Aufmerksamkeit befunden hätten. Gleichzeitig vermitteln sich durch seine Arbeiten die Maßverhältnisse der Räume sowie die Zwischenräume zwischen dem Raum als Umfangendes und der Fläche als umfangener Ort.
[Text: Thomas Köllhofer: Zwischenorte in: »orten« (Ausst.-Kat., Brückenturm | Galerie der Stadt Mainz), Mainz 2000, S. 18 und 24]